Das „Passivhaus“ kommt ganz ohne konventionelle Heizung aus. In Österreich wird diese Technologie aber noch viel zu wenig angewandt.

von Martin Fritzl – Wien, 17.04.1999 – DiePresse.com

Die technischen Möglichkeiten zum Energiesparen schreiten voran. Ist es in den vergangenen Jahren kontinuierlich gelungen, den Energieverbrauch zu senken, so bedeutet das Passivhaus einen bedeutenden Sprung: Die traditionelle Heizung ist nicht mehr notwendig. In Österreich ist Vorarlberg wieder einmal Vorreiter, was ökologische Leistungen betrifft. Etwa zehn Pilotprojekte stehen schon im Ländle, großzügig gefördert von der Landes-Wohnbauförderung.

In Wien wird der Architekt Fritz Waclawek nun bald ein Zweifamilienhaus in dieser Technologie verwirklichen, und das praktisch ohne Förderung. Von der Konzeption her entspricht das Passivhaus dem Niedrigenergiehaus: Die Möglichkeiten des Energiesparens werden genutzt, nur etwas besser: Optimale Wärmedämmung, kompakte Baukörper, passive Nutzung der Sonnenenergie. So beträgt die Dämmschicht bis zu 25 Zentimeter, bei den Fenstern gibt es statt der Zweischeiben- eine Dreischeiben-Wärmeschutzverglasung. Dadurch wird der Energiebedarf so gering, daß auf eine konventionelle Heizung verzichtet werden kann. Der geringe Restwärmebedarf, der dann noch vorhanden ist, wird über eine Wärmepumpe und ein Luftaustauschsystem gewonnen. Luft wird aus dem Freien geholt und erwärmt, der Abluft dafür die Wärme entzogen.

Mit diesem System löst sich auch ein anderes Problem, das bei Niedrigenergiehäusern unwillkürlich auftritt: Die Entlüftung. Da die Fenster gut abgedichtet sind, müßte alle paar Stunden gelüftet werden, sonst kommt es zur Schimmelbildung. Mit der Belüftung stellt sich dieses Problem nicht mehr. Die Fenster lassen sich trotzdem öffnen. Im Sommer und in der Übergangszeit ist die Frischluftzufuhr kein Problem, im Winter verlangt die Technologie einen „sinnvollen Umgang“, so Waclawek. Sprich: Läßt man bei Minus 20 Grad die Fenster zu lange offen, wird es kalt. Nachteile sieht Waclawek nur im Bereich der Hygiene: Das Entlüftungssystem und die dafür notwendigen Filter müßten ständig gereinigt werden. Da sei darauf zu achten, daß eine einfache Wartung möglich ist. Vom Preis her ist das Passivhaus nur um etwa drei Prozent teurer als konventionell errichtete Gebäude. Der Wegfall der Heizung wiegt die höheren Kosten für den Wärmeschutz auf. Den großen Vorteil erreichen die Bewohner bei den Energiekosten. Die betragen beim Passivhaus 15 KW/h je Quadratmeter und Jahr, bei einem Niedrigenergiehaus 30 bis 70 KW/h, bei einem bestehenden Haus im Bestand gar 180 bis 280 KW/h. Bei Energiekosten von der Hälfte bis zu einem Fünfzehntel des Üblichen sind die geringfügig höheren Baukosten bald amortisiert.

Daß die Technologie außerhalb des Bundeslandes Vorarlberg praktisch nicht angewandt wird, führt Waclawek nicht nur auf die fehlende Förderung zurück: Es gebe praktisch kein Interesse an der Umsetzung. „Die Gemeinnützigen Bauträger interessieren sich überhaupt nicht dafür“, beklagt der Architekt. Und auch von seinen Kollegen würde fast keiner das nötige Know how aufbringen. Auch die Bauordnung ist auf das Passivhaus noch nicht wirklich eingestellt: Wird doch für das heizungslose Haus ein Kamin vorgeschrieben.

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